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Auszug aus dem Vortrag von Regina Bärthel (Kunstwissenschaftlerin) anläßlich des Künstlerfestes im Kulturbahnhof Kassel 19

Meine Damen und Herren,

die Kunstwissenschaft ist - wie der Name schon sagt- eine Wissenschaft. Keine mathematisch exakte natürlich -das ist uns allen bewußt und das nehmen wir auch positiv zur Kenntnis - sondern eine Wissenschaft,  die sich mit menschlichen Äußerungen beschäftigt.

Dennoch ist natürlich die Systematisierung, die Gliederung, Unterteilung und Gruppierung eine jener Tätigkeiten, die die Wissenschaft zur Wissenschaftmacht - und daran hält sich auch die Kunstwissenschaft. Und so, meine Damen und Herren, versucht sie, die Kunstwissenschaft/ dieKunst - also die Äußerungen unterschiedlichster Menschen - nach zuvorbestimmten Themen zu strukturieren, zu unterteilen. Die große Bandbreite künstlerischer Äußerungen wird so in handhabbare Kompartimente unterteilt: Kunst des 20. Jahrhunderts, Kunst aus der Peripherie,Kunst von Frauen, Kunst und Gedächtnis usw. usw.

Diese Kompartimente entstehen, um den Kunstwissenschaftlern ihre Arbeit zu erleichtern, bzw. zu ermöglichen. Kunst wird so auf eine bestimmte Thematikausgerichtet bearbeitet und präsentiert.

Die Frage ist nun jedoch: Wer setzt diese Unterteilungen, wer bestimmt z.B. das Thema einer Ausstellung und wer verortet die Künstler so, daß sie dieser oder jene Sparte zugehörig angesehen werden?

Dies sind - wie wir wissen - zumeist die Kunstwissenschaftler, die Theoretiker, die mit einem Blick von außen die künstlerischen Äußerungen taxieren und etikettieren; Ihnen einen Ort zuweisen. Einen Ort sowohl innerhalb einer Ausstellung als auch innerhalb des kunsthistorischen Kontextes.

Dies, meine Damen und Herren, ist eine ausgesprochen spannende Aufgabe - der auch ich als Kunstwissenschaftlerin nur allzugerne nachgehe. Natürlich haben wir Theoretiker uns heute einen viel freieren Zugang zur Kunst angewöhnt, versuchen sie - so glaube ich doch sagen zu können - nicht mehr in allzu enge Korsetts zu schnüren. Doch - wie nicht zuletzt die Systemtheorie uns gelehrt hat:

Durchwandern wir nun also die Aufzeichnungen einer Ausstellung.

Beim Eintitt in den Südflügel des Kasseler Hauptbahnhofes -irgendwie hatte ich noch den Geruch der Weinberger-Disteln in der Nase und war rechtschaffend froh, mich am Eingang nicht in eine Schlange einreihen zu müsen -

beim Eintitt also in die Ausstellungsräume wandte ich mich zunächst nach links, um hier die Runde beginnen zu lassen:   

In einem kleinen Raum befanden sich Stahlregale mit merkwürdigen, darin aufgereihten Dingen. Sie entpuppten sich als große Schaumstoffteile; eine Art Farbschwämme, die die Spuren ihrer Benutzung in sich aufgesogen hatten: Eingetrocknete Reste von Farbpigmenten hatten sich in ihren Poren abgelagert, ein Gewirr von Farbigkeiten machte sich damit auf ihnen breit und ließ sie ausdrucksstark und schmuddelig zugleich aussehen - Spuren der Benutzung, mithin der Zeit; ein Moment also, das bei Arbeitsgerät auftritt.

Zwischen diesen Schwämmen reihten sich Spanplatten aneinander, von denen man lediglich die farbbeklecksten Seitenränder sehen konnte: Schloß man hier messerscharf auf ein Bild, eine Malerei, die sich ja auf den Flächen dieser Platten befinden müsse - so wurde man enttäuscht, vielleicht sogar zurückgewiesen:

Die Flächen jeder Platte waren mit grauer Bodenbeschichtungsfarbe bestrichen;die darunterliegende Malerei verdeckt oder vor Blicken geschützt.

Jedes dieser Teile jedoch war mit einem „Eingangsstempel" gekennzeichnet, der das Datum der Archivierung verriet. Eine sehr bürokratische Anmutung vielleicht, doch ein gelungenes Bild: Eine Bibliothek, die lediglich die interessanten, Neugierde erweckenden Buchtitel zeigt - deren Bücher man aber nicht einsehen kann.

Ein Archiv, dem es genügt zu archivieren - was es in seinen Regalen hortet, scheint zunächst sekundär.

Dieser Schein mag jedoch trügen: Letztendlich archiviert Christine Wassermann hier Grundvoraussetzungen künstlerischer Arbeit: Arbeitsmaterial wie auch die Ergebnisse dieser Arbeit; vor allem aber - durch diese beiden symbolisiert.Zeit und Arbeit - beides Essenzen künstlerischer Produktion. Nicht das stolze Vorzeigen des künstlerischen Werkes wird hier thematisiert, sondern vielmehr das tagebuchartige - und damit trotz der bürokratischarchivarischen Kühle fast schon intime - Aufzeigen des künstlerischen Schaffens. Der Auseinandersetzung mithin, die ein Prozeß mit Erfolgen und Fehlschlägen ist. Doch diese künstlerische Auseinandersetzung trägt vielleicht ihre Berechtigung schon in sich selbst.

 

 

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